Fragst du dich manchmal, ob du introvertiert bist, weil die Mehrheit der Menschen im Gegensatz zu dir gesellig und laut ist? Vielleicht magst du lieber kleine Veranstaltungen und fühlst dich am wohlsten im Kreise deiner engsten Freunde? Du bist gern allein, weil du dann deinen Gedanken und Empfindungen nachgehen kannst? Dann bist du möglicherweise introvertiert.
Etwa jede vierte Person verfügt über diesen Wesenszug, der mit Stärken, aber auch Herausforderungen im Alltag einhergeht. Das heißt, in jeglichen Bereichen unserer Gesellschaft findest du Menschen mit dieser Persönlichkeit und damit die Möglichkeit, sich mit ähnlichen Menschen auszutauschen und zusammen zu sein.
Gerade wenn du introvertiert und hochsensibel bist, ist die Chance sogar höher, jemanden in deinem Umfeld zu entdecken, der dir ähnlich ist, weil die Wissenschaft annimmt, dass circa 70 % der Hochsensiblen auch introvertiert, während circa 30 % eher extrovertiert sind.
Im Psychologiestudium war ich zum Beispiel von einigen introvertierten (und hochsensiblen) Kommilitoninnen umgeben. Ebenso in meiner früheren Arbeit als sozialpsychiatrische Fachkraft stellte ich fest, dass die meisten meiner Kolleginnen und Kollegen eher introvertiert (und hochsensibel) sind.
Meinen Alltag teile ich auch mit anderen introvertierten Familienmitglieder, die nicht hochsensibel sind. Und im Freundes- und Bekanntenkreis bemerke ich auch glücklich lebende introvertierte Hochsensible. Mir ist wichtig zu betonen, dass die Meisten in meinem Umfeld extrovertiert und normalsensibel sind und wir gerade aufgrund dieser Unterschiede mit und voneinander lernen.
Jeder Mensch hat introvertierte und extrovertierte Anteile in sich vereint. Das kann je nach Tagesform, nach Situation und der beteiligten Menschen in diesem sozialen Miteinander variieren. Meist ist aber eine stärkere Tendenz in die eine oder andere Richtung erkennbar.
Introvertierter Wesenszug
Einige Merkmale und Verhaltensweisen, die für eine introvertierte Persönlichkeit sprechen, findest du hier.
- nach „innen“ gewandt
- interessiert am eigenen inneren Erleben (auch an dem anderer Menschen)
- eher still und zurückhaltend
- brauchen Zurückgezogenheit
- im Alleinsein wird Kraft getankt
- aufmerksame Zuhörer
- mögen es zu beobachten, zu reflektieren und zu hinterfragen
- bedachtes Auftreten, wie wirke ich nach außen
- haben ein geringeres Bedürfnis nach Austausch mit anderen Menschen
- bevorzugen ein Gespräch mit einer Person oder wenigen Personen
- glücklich mit wenigen guten und engen Gesprächspartner
- mögen intensiven und tiefgehenden Austausch
- fühlen sich in einer Gruppe mit vielen Menschen unwohl und ausgelaugt
- hohe und lange Konzentrationsfähigkeit
- mögen es alleine und unabhängig zu arbeiten
- einfallsreich und kreative Ideen und Erfindungen
- weniger darauf aus, selbst zu reden stehen nicht gern im Mittelpunkt
- haben ein privates und ein öffentliches Selbst und verhalten sich daher unterschiedlich
- kontrollieren sich selbst und neigen dazu, Gefühle zu unterdrücken
- bevor sie sprechen, denken sie darüber nach, was und wie sie etwas sagen möchten
- sind vorausschauend und planen gerne
- vorsichtiger und wenig spontan, aber sehr leidenschaftlich
- selten gelangweilt, weil sie gern in ihrer inneren Welt sind
- können auf andere unnahbar und distanziert wirken
Hochsensibel und introvertiert?
Laut Aron sind etwa 70 % der Hochsensiblen introvertiert. Im heutigen Sprachgebrauch wird darunter die soziale Verhaltensweise verstanden, wie ein Mensch sich in Interaktionen mit anderen Menschen verhält. Ein Mensch, der eher zurückgezogen lebt und den Kontakt zu einzelnen, wenigen Menschen präferiert, wird als introvertiert bezeichnet.
Der Schweizer Psychiater Carl Gustav Jung führte 1921 den Begriff „Introversion“ als Gegenpol zum Begriff „Extroversion“ in die Persönlichkeitspsychologie ein. Jung verstand darunter zwei gegensätzliche Charaktere, die sich in der Wahrnehmung, im Denken und Fühlen sowie der Intuition unterscheiden. Aber diese Bezeichnungen beschrieben anfänglich nicht das soziale Verhalten introvertierter oder extrovertierter Menschen, sondern das Verhalten aus dem eine Person seine Energie bezieht.
Jemand, der den Kontakt verstärkt benötigt und vor allem sucht, wird als extrovertiert angesehen. Mehr zu extrovertierten Verhalten findest du in meinem Blogartikel „Bin ich extrovertiert“.
Fazit
Obwohl Introvertierte gemeinsame Eigenschaften aufweisen, ist ihre Interaktion mit der sozialen Umwelt und wie sie daraus ihre Kraft schöpfen, individuell. Jeder introvertierte Mensch unterscheidet sich grundsätzlich von anderen Introvertierten. Selbst zwei introvertierte Charaktere können in derselben für sie stressigen Situation unterschiedlich auf ihre Umwelt reagieren, weil frühkindliche Bindungen und Prägungen sowie die Erfahrungen mit und in der umgebenden Welt einzigartig sind.
Sich mit der eigenen introvertierten Persönlichkeit und den individuellen Stärken und Schwächen auseinanderzusetzen, um alltägliche Herausforderungen nicht nur zu bewältigen, sondern auch potenzielle Chancen zu erkennen, diese wahrzunehmen und daran zu wachsen, ist erfüllend.
Gern unterstütze ich dich dabei.
Quellen:
Aron, E. N (2015). Sind Sie Hochsensibel? Wie Sie Ihre Empfindsamkeit erkennen, verstehen und nutzen. mvg Verlag: München
Heintze, A. (2016). Auf die leise Weise: Wie introvertierte ihre Stärken erkennen und nutzen. GU Verlag: München
Reichardt, E. (2016). Hochsensibel. Wie Sie Ihre Stärken erkennen und Ihr wirkliches Potenzial entfalten. Irisiana Verlag: München